Archive | November 2013

Familienportrait-Marathon Tag 6 / Die Liebe in Zeiten des Krieges 1941-49 / Teil 1

 

IMG_20131012_0008  Helmut vor dem Krieg

Trauma

17einhalb Stunden Dienst im Schützengraben. Als endlich die Ablösung kommt, kann Helmut kaum laufen. Ihm wird ein Schlafplatz zugewiesen, ein letzter Handgriff, wie immer an der Front, schiebt er die drei Goethe-Bände unter den Kopf, als Kopfkissen. Trotz des Gefechtslärms schläft er sofort ein, das lernt man an der Front.

Als die Granate einschlägt träumt er von einem blonden Mädchen mit leuchtenden, blauen Augen. Er erkennt sie nicht. Wach wird er nicht wirklich, er nimmt nur einen heißen, grellen Schmerz an der rechten Schulter wahr. Ein großes Tier muss ihn gebissen haben…

IMG_20131012_0005  Käte

Auf dem Verbandsplatz bekommt er Morphium, der Sanitäter wundert sich über soviel Dusel bei dem verwundeten Obergefreiten. Wenn der Goethe unter seinem Kopf nicht gewesen wäre, hätte es seinen Hinterkopf zerfetzt, so war es nur der rechte Oberarm. Das Schrapnel hat eine klaffende Wunde bis auf den Knochen verursacht. Man versorgt die Wunde soweit es möglich ist, der Weg zum Lazarett ist noch weit.

Traum

Die Wunde entzündet sich, Penicillin haben die Deutschen noch nicht. So kämpft Helmuts Körper drei Tage. Bei 40°Fieber zieht sein Leben an meinem Vater vorbei. Die kurze Ehe mit einer kapriziösen Schauspielerin, Saltos machen für René Deltgen in den UFA-Studios, Boxen, 16 Kämpfe, nur zwei verloren, im Schach remis gegen den deutschen Meister.

IMG_20130627_0005  Mit Vera von Langen in den UFA-Studios Babelsberg 1938

Das kommt ihm alles so überflüssig vor, eitel, vertane Zeit. Wenn er hier raus kommt und der Krieg vorbei ist, muss er ein ganz neues Leben beginnen. Alles auf Null und dann durchstarten, promovieren, inszenieren und spielen auch, die großen tragischen Rollen, Faust, Hamlet, Don Carlos.

Sein 23 Jahre alter Körper gewinnt Das Spiel. Doch er erholt sich nur langsam, was einen Vorteil hat, er kann auf Heimaturlaub gehen.

Treffen

Über zwei Jahre dauert dieser Krieg schon. Käte sitzt in einer kleinen Konditorei in der Nähe der Friedrichstraße. Der Schankraum ist fast leer. Draußen wird es schon dunkel. Der Soldat in der feldgrauen Uniform sieht nett aus. Er könnte slawischer Herkunft sein, ein russischer Graf vielleicht. Sie ärgert sich über ihre ausschweifende Phantasie. Sie hält sich zur Sachlichkeit an. Immerhin hat sie es in drei Jahren bis zur Buchhalterin geschafft, und sie ist stolz darauf.

IMG_20131012_0003  Ein Stapel Bücher neben sich

Später werden beide nicht mehr wissen, wer als erster gesprochen hat. Vor Helmut steht ein Stapel Bücher auf dem Tisch, daneben Papier, er schreibt etwas. Ein Gedicht, wie sich herausstellt. Käte ist entzückt, ein Mann, der Gedichte schreibt, so jemanden trifft ein junges Mädchen mitten im Krieg nicht oft.

Sie reden über Gedichte, über Romane, Dramen, Schauspieler, kommen auf immer neue Themen, ohne das sie merken, wie die Zeit vergeht. Helmut erklärt, er möchte nicht das einfache, kleine Glück mit Familie und Büroarbeit, er will aufs ganze gehen und großen Erfolg haben oder eben grandios scheitern. Er warnt das junge Mädchen vor sich, mit ihm würde sie es schwer haben. Sie scherzt und tut als ob sie ihn nicht ernst nimmt. In Wirklichkeit hat seine Warnung etwas sehr Ansprechendes für sie. Bei aller Sachlichkeit, schlummert auch Romantik in ihr. Und alles was mit Dramen, mit Schauspielern und Theater zu tun hat, zieht sie magisch an. Sie steht oft die halbe Nacht an, um Karten für die begehrten, billigen Stehplätze im Schauspielhaus zu erwerben.

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Nach Stunden stellen sie fest, es ist bereits viertel vor sieben, sie haben sich total verplaudert. Er hat eine Karte fürs Schauspielhaus, Gründgens, Kätes Lieblingsschauspieler, gibt den Mephisto. Er muss los, Faust läßt man nicht warten. Auf der Weidendammer Brücke trennen sie sich. Bevor sie sich von einander losreißen, drückt sie ihm zu seiner Überraschung einen Kuss auf die Wange.

Sie läuft zur elterlichen Wohnung in die Perleberger Straße, sie ist bester Stimmung. Am Abendbrottisch verkündet sie Elisabeth und Werner: ” Heute habe ich den Mann getroffen, den ich heiraten werde.”

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Familienportrait – Käte / Die Kletterweste – Groß werden im Faschismus 1933-39

Tag 4 des Familienportrait-Marathon. Meine Mutter möchte eine braune Kletterweste, meine Oma will ihr das BDM-Accessoire nicht kaufen. Aufwachsen im Nazireich, die Jahre 1933-39.

Familienportrait-Marathon Kapitel 2

Oma Elisabeth – Tränen, Erbsensuppe und die rote Fahne 1895-1918

Die Mutter meiner Mutter, Elisabeth Hellmich, wurde im September 1895 als zweite Tochter des Ehepaars Schnelle in Liebenwerda an der Grenze zu Sachsen geboren. Um das Jahr 1910 wurde sie nach Berlin geschickt, um dort in der Fremde als Hausmädchen zu arbeiten.

Es muss für die junge Frau hart gewesen sein, allein in der großen Stadt, ihr Glück zu suchen. Dienstmädchen wurden nicht gut behandelt. Schläge und sexuelle Übergriffe durch die “Herrschaft” waren an der Tagesordnung und wurden meist toleriert.

Am Sonntag Nachmittag, wenn Elisabeth frei hatte lief sie zu Fuss, um das Fahrgeld zu sparen, von Steglitz die Kaiserallee (heute Bundesallee) hoch, in Richtung Kudamm. Die Gartenlokale wie “Schramms am See”, dort wo heute der Volkspark Wilmersdorf liegt, reizten sie nicht. Dort wurde geflirtet, geschwooft und getrunken, es ging ihr dort zu derb zu und sie hatte kein Interesse Männerbekanntschaften zu machen.

Ihr Ziel war der Bahnhof und das, über die Grenzen Berlins bekannte Etablissement “Aschingers”. Dort gab es die berühmte Erbsensuppe und der Clou war, man durfte dazu so viele Schrippen essen, wie man wollte. Hier ging man relativ respektvoll mit dem jungen Mädchen um und hin und wieder mag sie auch mit anderen Gästen ins Gespräch gekommen sein. Oft sass sie jedoch allein vor der Suppenterrine und wenn sie an ihre Heimat und ihre Schwestern dachte, liefen ihr Tränen übers Gesicht und fielen in die Suppe.

Mit dem Beginn des Krieges 1914, änderte sich vieles. Frauen wurden in den Fabriken gebraucht und Elisabeth fing an bei Osram zu arbeiten und stellte Glühbirnen her. Sie wurde unabhängiger, kam sich freier vor und war nicht mehr so allein. Später kam ihre vier Jahre jüngere Schwester Charlotte auch in die Hauptstadt. Die dritte Schwester Martha blieb in Liebenwerda, ich vermute weil sie den Vorzug hatte die Erstgeborene zu sein.

Viele Jahre bestimmte dann der Weltkrieg das Leben der Frauen mit all seinen Härten, wie Hunger, Kälte und Unsicherheit. Elisabeth wurde eine resolute Persönlichkeit, die einen grossen Gerechtigkeitssinn entwickelte. Schließlich kapitulierte Deutschland, die Monarchie brach zusammen. Während der Novemberrevolution ging auch meine Oma auf die Strasse. Jemand drückte ihr die rote Fahne in die Hand, diese trug sie bis es dunkel wurde. Ihr taten die Füße weh, also gab sie das revolutionäre Symbol weiter und marschierte nach Hause. Das war ihr kleiner Anteil an der Revolte, von dem sie später immer gern erzählte. Als ich 68/69 auf die Strasse ging um gegen Vietnamkrieg und andere skandalöse Zustände der Welt zu demonstrieren, gehörte sie zu den wenigen Erwachsenen, die Verständnis für mein Handeln aufbrachte.

Auf einem Bild sieht man die drei Schwestern Schnelle (v.l. Martha, Charlotte, Elisabeth) noch ledig, Anfang der 20er Jahre schick heraus geputzt. Das jüngere Foto (ca. 1927)ImageImage zeigt von links, meine Oma Elisabeth, meine Mutter als kleines Mädchen, Omas Schwester Charlotte und eine Unbekannte. Hier wirken die Damen auf mich erwachsener, recht selbstbewusst und stolz auf ihren Status als nicht mehr berufstätige Ehefrauen.

Familienportrait – Schuster Schnelle und seine Familie / Blick in eine vergangene Welt 1870-1990

Bild Einschulung auf dem Lande

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Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?” Thomas Mann

 

 

 

Der Brunnen der Vergangenheit ist wohl unerschöpflich, unergründlich würde ich ihn nicht nennen, dem wir können aus ihm schöpfen und ergründen woher wir kommen. Über die Vorfahren meines Vaters weiß ich nur wenig. Sein “Ariernachweis” zeigt, seine Vorfahren waren Dienst-Mägde und -Knechte südlich von Berlin, die in der zweiten Hälfte des 19.Jh. In die Großstadt Deutsch-Wilmersdorf kamen, um hier als Arbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu Berlin gehört Wilmersdorf erst seit dem 1. Oktober 1920.

Bild 4 Soldaten der Revolution auf Streife in Wilmersdorf 1918

 

Meine Großeltern väterlicherseits starben schon vor Ende des 2. Weltkriegs, ebenso mein Onkel Willy Kluge. Allein dessen 1931 geborener Sohn Wolfgang überlebte den Krieg, er wanderte nach Venezuela aus. Sein in den 60ern geborener Sohn Johannes Kluge ist außer mir der einzige noch lebende Kluge. Dieser lebt in Venezuela, erfreulicherweise habe ich durch das “Inter” regelmäßigen Kontakt zu ihm. Irgendwann erzähle ich Euch auch die Geschichte von Wolfgang Kluge, aber heute wollten wir ja tiefer in den Brunnen tauchen, in eine Welt die heute vergangen ist.

Bild Liebenwerda, Sonntagspaziergang

 

Mehr weiß ich über die Vorfahren meiner Mutter. Meine Urgroßeltern kamen aus der Gegend von Liebenwerda in Süd-Brandenburg an der Grenze zu Sachsen. Liebenwerda, von liv oder lib und werder kommend, heißt soviel wie Liebes- oder Lebens-Insel. Es wurde 1271 das erste Mal erwähnt und gehörte zeitweise zu Sachsen. Die dicken, sächsischen Ordnungshüter wurden sprichwörtlich und noch zu DDR-Zeiten verspottete man/frau sie, denn da traten sie in Gestalt von Stasi-Mitarbeitern erneut auf. Die “Schand-Armen” nannte sie der Volksmund.

Bild Olle Fuchsen

 

Überhaupt hat man/frau in Liebenwerda nie reines sächsisch gesprochen, stattdessen gab es ein weiches Brandenburger Platt. Der legendäre “olle Fuchs” legte sich oft mit den sächsischen Schandarmen an und wurde unvergesslich. “He labet ju nich mehr, aber he is noch gornich lange dud.”, erzählten die alten Leute.

1815 kam Liebenwerda zu Preußen, eine Folge des Wiener Kongresses. 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet, eine Gründerzeit folgte, in zwei Jahren wurden 978 Aktiengesellschaften in Preußen gegründet. Leider ging dieser Aufschwung schon 1873 wieder zuende, die durch einen Börsenkrach ausgelöste 20-jährige “Gründerkrise” folgte.

Die Liebenwerdaer hatten jedoch Glück: “Am 1. Juni 1874 wurde die Oberlausitzer Eisenbahn von Kohlfurt über Liebenwerda bis Falkenberg (später bis Wittenberg) übergeben.” Das brachte der Stadt Aufschwung und hier beginnt nun auch die Geschichte der Schnelles.

Bild Goldene Hochzeit

 

Julius Schnelle besteht 1881 die Prüfung zum Schuster-Gesellen. 1887 wird er 23-jährig Meister, im gleichen Jahr heiratet er die fünf Jahre jüngere Anna geb. Hanisch. Julius soll ein fleißiger Mann gewesen sein, neben der Arbeit erzählte er gern Geschichten und betätigte sich auch als Verse-Schmied. Anna wird als sehr soziale, umtriebige Frau geschildert. Sie soll sich Achtung und Liebe unter den Liebenwerdaern erworben habe.

Das Ehepaar hat vier Töchter, eine stirbt im Säuglingsalter, die drei anderen heiraten und leben lang. Martha, die älteste darf im Ort bleiben und heiratet Adolf, Elisabeth und die zuletztgeborene Charlotte müssen in Berlin ihr Glück suchen.

Bild Die Schnelle-Tochter Elisabeth mit Mann Werner und meiner Mutter im Wagen, ca. 1924

 

“Seit dem 16. Januar 1925 trägt die Stadt den Titel „Bad“, nachdem das Preußische Staatsministerium am 9. Januar 1925 einer Umbenennung der Stadt mit den Worten „Möge die Stadt unter dem neuen Namen glücklichen und gesegneten Zeiten entgegengehen!“ zustimmte.” (WiKi)

1937 feiern Julius und Anna Schnelle Goldene Hochzeit, ein “seltenes Fest” wie die Zeitung bemerkt. Die “Einsegnung des Jubelpaares geschieht in unserer Kirche im Kreise von Kindern und Enkelkindern. “Beide Ehegatten erfreuen sich bester Gesundheit. Vermerkt sei noch, dass das Ehepaar Schnelle seit 30 Jahren im Hause des Lehrers Otte wohnt. Dies ist gewiss ein schönes Zeichen von Verbundenheit zwischen Hauswirt und Mieter.” Im gleichen Jahr feierte Julius 50-jähriges Meisterjubiläum. 1940 stirbt Anna, Julius überlebt sie nicht lange, zwei Jahre später folgt er ihr.

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1990, nachdem die Grenzen offen waren, habe ich mit meiner Mutter Bad Liebenwerda besucht. Mein verstorbener Freund Andy hat uns mit seinem Taxi gefahren und begleitet. Die Stadt sah post-sozialistisch ziemlich heruntergekommen aus. Es würde mich interessieren noch einmal hinzufahren, um nachzusehen was 23 Jahre Kapitalismus aus dem Badeort gemacht haben. Wenigstens das Bad Liebenwerdaer Wasser ist heute in aller Munde.

 

Bild Eine vergangene Welt

 

Familienportrait – Werbung für Waisen

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Nexus heißt soviel wie Verbindung, Gefüge. Verbindungslos, nicht in einem funktionierenden sozialen Gefüge geborgen scheint der kleine Junge zu sein, den Google uns in seiner Werbung präsentiert. Eltern scheint er nicht zu besitzen, zumindest keine, die er mal fragen könnte, wie das ist mit dem Lampenfieber. Opa, Oma, Onkel, Tanten, Freunde, Lehrer? Offensichtlich gibt es keinen Menschen, zu dem er mit seinen Problemen kommen könnte. Er tut mir ungeheuer Leid.

Die Werber von Autofuss, San Francisco scheinen das überhaupt nicht traurig zu finden: “Das Nexus 7-Tablet wird mit einem TV-Spot beworben. Er zeigt ein bewegendes Porträt eines Jungen bei seinem Kampf gegen das Lampenfieber.” Es reicht nicht nur, dass der Junge sein Problem mithilfe der Technik lösen kann. Diese “menschenlose” Problemlösung wird durch die werbliche Überhöhung zum Vorbild, zum Rollenmodell für die Zukunft, in die unsere Kinder und Enkelkinder hineinwachsen. Es gruselt mich.

O wonder!
How many goodly creatures are there here!
How beauteous mankind is! O brave new world,
That has such people in’t.

William ShakespeareThe Tempest, Act V, Scene I, ll.

Familienportrait – Gedanken an Lola

 

Zwei Tage nach ihrem Tod, zufällig ist Volkstrauertag

Es ist auffällig ruhig in der Wohnung, nur die Heizungsrohre knacken. Lola hat ja viel gesprochen, selbst im Schlaf hatte sie eine breite Palette von Wesensäußerungen. Diverse Vorsichtsmassnahmen sind plötzlich überflüssig geworden. Essen muss nicht sofort wieder in Kühlschrank geräumt werden, Plastik aller Art kann ich offen liegenlassen, ohne Gefahr, dass sie es auffrisst. So erinnere ich mich und sie fehlt mir.

Gestern früh stand pünktlich Herr Hanf mit einem Spaten vor der Tür. Während er das Grab aushob, drückte ich Lolas nun schon kalten, steifen Leib, den ich in ein schönes altes Hemd von mir gewickelt hatte, an meine Brust und sprach letzte Worte zu ihr. Als wir vom Grab weggingen, hatte mein Hauswart feuchte Augen. Als ich in die leere Wohnung zurückgekommen bin, konnte ich endlich auch selbst weinen. So heftig habe ich wohl noch nie in meinem Erwachsenenleben geweint, weder als John Lennon ermordet wurde, noch beim Begräbnis meiner Mutter. Ich glaube im Alter kommt man/frau besser in Kontakt mit den eigenen Gefühlen, zumindest mir geht das so.

Danach ging ich auf den Markt und kaufte mir zum ersten Mal seit Jahren Blumen. Auch darauf hatte ich verzichtet, weil Lola alles Grüne anfrass und Blumenvasen in Rekordzeit zum umkippen brachte. Schöne, weiße Rosen. Eben habe ich eine auf ihr Grab gelegt und ein Grablicht aufgestellt.

Einige Fotos habe ich noch gefunden. Lola nach der Geburt ihrer Kinder. Sie war noch so jung, ca. 10 Monate erst, als sie warf. Ein Bild zeigt sie mit dem autistischen Sohn einer Freundin, den ich hier ein einziges Mal lächeln sah. Das letzte Bild zeigt alle vier Kitten im Wurfkorb.

Bild

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Familienportrait – LOLA 2000 – 2013

Heute ist meine Katze Lola von mir gegangen. Ich bin dankbar und traurig.
Bild LOLA 2000 – 2013

Gestern Abend machte sie schonmal Andeutungen in Richtung es reiche ihr langsam. 11 Tage nichts gegessen, Krebs in Lunge und Leber/Galle, sicher Schmerzen. In der Nacht kam sie zum ersten Mal garnicht aufs Bett. Morgens hatte sie zunächst nicht genug Kraft an ihren Rückzugsort zu klettern. Beim dritten Anlauf schaffte sies und verbrachte den Vormittag auf dem Hängeboden in ihrem alten Wurfkorb, in dem sie 2001 vier Kinder geboren hatte.
Mittags waren es keine Andeutungen mehr, sie machte mir deutlich, dass der Tod ihr nun willkommen sei. Dann haben wir zwei Stunden Siesta gehalten, gekuschelt und uns von einander verabschiedet. Ich habe ihr erklärt, wies im Katzenhimmel ist, dass sie Cecil wiedertrifft, ihren Partner und Vater der Kleinen, der 2002 so überraschend und tragisch an FIP starb.

Bild Cecil

Bild Die Kinder

Bild Papa passt auf

Bild Wer sind die denn?


Dann hörte ich ihren Atem mühsamer werden, ein golfballgroßer Tumor bei ihrem eher kleinen Körper, macht sich bemerkbar. Außerdem begann sie zu stöhnen. Ich brachte sie die Freitreppe hoch, die 40 Meter zum Tierarzt. Sie bekam die Spritze, kämpfte noch einige Minuten, dann starb sie in meinem Arm.
Jetzt liegt sie auf dem roten Sessel, einem ihrer Lieblingsplätze und sieht sehr friedlich aus. Morgen um 9.30h begraben wir sie gleich vor meinem Wohnzimmerfenster.
Tschüs Lola und Danke für 13 wundervolle Jahre.

Familienportrait – Bunte Kindheit / Fotos aus den Jahren 1955-60

 

In den 50er Jahren wurde es für Foto-Amateure erschwinglich und praktikabel in Farbe zu fotografieren, außerdem wurde das Leben bunter, besonders im Westen Deutschlands. Markenzeichen wie Coca-Cola oder ESSO wurden allgegenwärtig. Mein Vater ließ kaum einen Anlass aus, Bilder zu machen. Als Kinder waren wir manchmal genervt davon, heute freue ich mich über die Fotos.
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Bild Perutz

Bild Mauerspiele

Bild Sternchen

Bild Esso Rankestraße

Bild Kofferradio

Bild Drei Könige

Bild Trink Coca-Cola eiskalt

Bild Fasching

Bild Lalü Lala

Berlinische Räume – “Phonoklub im Agrippina-Haus in der Rankestrasse 5-6” / 1960-70

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Europäischer Buch- und Phono-Klub in der Rankestrasse

Meine Mutter hat hier von 1960-70 Bücher und Schallplatten an Klubmitglieder verkauft. Der Laden befand sich im 1955 fertig gestellten “Agrippina-Haus” in der Rankestraße 5-6, dass einer Versicherung gehörte.
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Die Inneneinrichtung im Stil der späten 50er Jahre wurde zum großen Teil extra angefertigt. Z.B. die Regale und Thresen aus Teakholz mit Holz-Intarsien. Besonders schön war der 7m lange Phonotresen mit Bakelithörern. Als wir den Laden aufgeben mussten, weil Bertelsmann den Franchisegeber aufgekauft hatte, haben wir leider die Tresen und andere Möbel wegwerfen müssen. Niemand interessierte sich für die Nifty-Fifties. Zwei Lampen habe ich noch.

Mitte der 60er kam ich oft am Nachmittag, nach der Schule, mit einem Freund in die Rankestraße. Auf dem Parkplatz, heute ist dort der Los-Angeles-Platz, zeigten wir den Autofahrern Parkplätze und bekamen Trinkgeld dafür. Das gaben wir dann im Europa-Center für Softeis aus. Gern fuhren wir mit dem Fahrstuhl bis zum Dach des Hochhauses. Dort kuckten wir durch die Ferngläser, manchmal drehten wir uns solange bis wir schwindlig wurden. Am frühen Abend holten wir Mädchen vom Eislaufen ab, es gab ja noch eine Eisbahn inmitten des Europa-Centers.
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Neben den Klubauflagen von Büchern und Platten, gab es noch die sogenannten Industrie-Schallplatten, damit wurden die normalen LPs und Singles gemeint, wie es sie auch in jedem Plattenladen gab. Das bedeutete für mich, wenn ein neues Beatles- oder Rolling Stones-Album erschien, konnte ich es am Erscheinungstag hören und manchmal auch nachhaus mitnehmen. Ich erinnere mich an “Their Satanic Majesties Request” von den Stones, “Ogdens’ Nut Gone Flake” von den Small Faces mit dem runden Cover und besonders “Sgt. Pepper’s”, die ich behalten durfte. Es war ein Ausschneidebogen aus Pappe dabei. Zum Karneval schnitt ich dann die Epauletten, einen Orden etc, aus und bastelte mir eine Sgt. Pepper’s Uniform.
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Im Geschäft wurden auch Lesungen und kleine Konzerte veranstaltet. Der Staatsschauspieler (Ja, so hieß das damals) Wilhelm Borchert war ein Freund meiner Mutter. Im ersten deutschen Nachkriegsfilm, “Die Mörder sind unter uns”, spielte er 1946 die Hauptrolle als desillusionierter Kriegsheimkehrer unter der Regie von Wolfgang Staudte. Die weibliche Hauptrolle spielte Hildegard Knef. Hier liest er aus Franz Kafkas Schriften.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Wilhelm_Borchert
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Details mit Noten-Linien, -Schlüsseln und pfeifenden Spatzen
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Gegenüber vom Klub, wo heute das Steigenberger Hotel und Park liegen, war damals eine Freifläche. Nachdem sie den Klub 1970 aufgeben musste, führte sie noch 15 Jahre einen Laden in Friedenau, als Angestellte. In den Klub-Räumen in der Rankestraße sind heute Versicherungsbüros, nichts erinnert mehr an die 60er Jahre, selbst die Wandmosaiken sind beseitigt worden.

M.K.

Familienportrait – Rückkehr nach Ithaka / Die Liebe in Zeiten des Krieges Teil 4 / 1947-49

 

Genauso wie Penelope Odysseus, so hat auch Käte Helmut nicht vergessen. Fast drei Jahre hat sie nichts von ihm gehört. Vielleicht ist er bei den Kämpfen um die Marienburg gefallen, er könnte aber auch in russischer Gefangenschaft sein. Sie weiß, als deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion könnte er dennoch tot sein. Es ist kompliziert, aber ein Gefühl hindert sie, Helmut ganz abzuschreiben.

Bild Käte arbeitet täglich 10 Stunden bei der Polizei

 

Das Leben geht weiter. Im Herbst 1947 lernt sie einen Mann kennen, er umwirbt sie, eine Liebschaft beginnt. Anfang 1948 ist sie schwanger, genau weiß sie nur, sie will dieses Kind. Bei dem Mann ist sie sich nicht so sicher. Sie bleibt bei Oma wohnen, inzwischen arbeitet sie im Polizeirevier 12 in Mitte, täglich zehn Stunden. Onkel Paul hat ihr im Dezember 1945 die Arbeit besorgt. Am 1. Mai 1946 hat er sich dann vor die Heidekrautbahn gelegt.

Bild Kriegsgefangene

 

Der Sommer 1948 ist heiß. An einem Sonntagmittag klingelt es, vor der Tür steht ein deutscher Soldat. Er ist nicht mehr jung, sehr dünn und bleich, trotz der Sonne draußen. Der zerschlissene Soldatenmantel schlottert ihm um die Hüften. Erst nachdem er angefangen zu sprechen, und auch dann erst nach einer Weile, erkennt ihn Käte. Helmut ist aus dem Krieg zurückgekehrt, sie umarmen sich, beide schluchzen, weinen. Es dauert bis sie ihre Fassung wiederfinden.

Die Wochen die folgen werden schwierig. Schwierig für Käte, die hochschwanger eine Entscheidung treffen muss. Schwierig für Helmut, der es übelnimmt, dass sie das Kind eines Anderen unterm Herzen trägt. Bei allen Entbehrungen der Gefangenschaft in Sibirien, der Kälte, dem Hunger, dem Verlust jeglicher Menschenwürde, hat er nie die Hoffnung verloren, dass Käte auf ihn warten wird.

 

Obwohl sie nicht weit auseinander wohnen, sie in der Kaiser-(heute Bundes-)Allee, nahe der Berliner Straße, er in der Brandenburger, schreiben sie sich wieder Briefe. Nun freiwillig, nachdem es so lange vom Krieg erzwungen war, hilft es ihnen ihre Situation zu klären.

Seit 24. Juni ist West-Berlin von den Sowjets blockiert. Seitdem wird die Stadt von US-amerikanischen Flugzeugen versorgt, die Luftbrücke ist geboren. Britische Maschinen landen in Gatow, die Franzosen richten extra für die Luftversorgung den Flughafen Tegel ein. Die Westberliner leben hauptsächlich von Trockenkartoffeln und Brot. Ein “kartenfreies” Stück Kuchen kostet acht Mark, ein Tageslohn. Der “Otto-Normalverbraucher” wird geboren, ein spindeldürrer Gert Fröbe spielt ihn in dem Film “Berliner Ballade”.

Bild Helmut mit Thomas in der Bundesallee

 

Käte und Helmut einigen sich, Käte gibt dem “Anderen” den Laufpass, sie wird ihn nicht wiedersehen. Das Ungeborene werden sie aufziehen, als ob Helmut sein Vater wäre. Am 2. September 1948 wird mein Bruder Thomas geboren. Käte hat Glück, es gibt gerade Strom im Kreissaal, das ist nicht die Regel. Am 16. März 1949 feiert die kleine Familie Verlobung, Abendgarderobe wird erbeten.

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Bild Die Einladung schreiben sie auf Ausweisformulare

 

Helmut hat ein Programm vorbereitet, er rezitiert Hauptmann, Goethe, Tucholsky und Shakespeare. Die Einladung schreiben sie auf Ausweisformulare, weil es kein Papier zu kaufen gibt. Das kalte Buffet wird schlicht ausgefallen sein. Die Blockade endet erst am 12. Mai 1949.

Bild Helmut mit Heli Finkenzeller in “Die kleine Hütte”

 

Am 8. September hat Helmut in der Tribüne Premiere. Er spielt mit Heli Finkenzeller in “Die kleine Hütte” von André Roussin. Es wird ein großer Erfolg. 1957 wird das Stück mit David Niven und Ava Gardner verfilmt. Am Tag nach der Theaterpremiere heiraten meine Eltern.

Helmut wird mit der Inszenierung von den Amerikanern auf ein Festival eingeladen. Helmut schreibt auf Briefpapier von American Airways: ” Nach jedem Bild Applaus. Zm Schluss doller Beifall. Gustaf (Gründgens) lehnte sich zurück und klatschte bis alles raus war. Nach der Vorstellung kam Gründgens zu uns und lobte meine Darstellung und Regie.” Leider kann mein Vater später nicht an diesen Erfolg anknüpfen.

Bild Maijachen nannte er Käte in Briefen

 

In den Jahren danach bauen meine Eltern ein Geschäft auf. Mein Vater wirbt Mitglieder, meine Mutter verkauft ihnen Bücher und Platten. Es ist ein Buchklub, doch meilenweit entfernt vom “Bertelsmann Käsering”, wie sie die Konkurrenz taufen. Die Deutschen sind hungrig auf Schriftsteller, die in der Nazidiktatur nicht den Weg nach Deutschland fanden. Sartre, Camus, Hemingway und die vielen Deutschen, die nur im Exil oder heimlich schreiben konnten. In der Musik gilt ähnliches, Swing, Hot und Cool Jazz, aber auch moderne Klassik findet viel Interesse.

Bild Jazz und moderne Klassik findet viel Interesse

Bild Viele gute Jahre, ein Ball in den 50ern

 

Ein befreundeter Leser schrieb kürzlich, ich würde meinen Eltern ein Denkmal setzen. Dieses Kompliment muss ich leider zurückweisen. Denkmäler werden aus edlen Stoffen, wie Bronze oder Marmor modelliert. Sie sind stilisiert und fast immer idealisiert. Mein Werkstoff ist jedoch das Leben und dieses ist eben fast nie ideal. Und so wird diese Geschichte nicht wie ein Märchen mit den Worten “Sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.”, enden. Viele gute Jahre haben meine Eltern. 1954 werde ich, als Wunschkind, nur mit dem falschen Geschlecht geboren. 1960 promoviert Helmut in Philosophie, im gleichen Jahr eröffnet meine Mutter einen großen, schicken Laden in der Rankestraße. Doch Mitte der 60er Jahre holen das Paar die Schatten der Vergangenheit ein. Neun Jahre Krieg und Gefangenschaft haben meinen Vater nicht nur körperlich gezeichnet, auch seelisch hat er tiefe Narben zurückbehalten. Die Details sollen privat bleiben, jedenfalls hat meine Mutter viele Gründe 1967 die Reißleine zu ziehen und die Scheidung einzureichen.

Mein Vater findet erneut eine Ehefrau, als er krank wird pflegt sie ihn bis er kurz nach seinem 63. Geburtstag stirbt. Meine Mutter findet noch eine Liebe, die in den 70er unglücklich endet. Trotzdem blickt sie auf ein erfülltes, zufriedenes Leben zurück, als sie 2005 in ihrem 83. Lebensjahr stirbt.

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Die Geschichte von Onkel Paul: https://marcuskluge.wordpress.com/2013/10/10/familienportrait-tante-lotte-und-onkel-paul-ein-preuse-polizist-fotograf-und-sein-tragisches-ende-1933-46-2/

Meine Geburt und die ersten Lebensjahre: https://marcuskluge.wordpress.com/2013/09/24/familienportrait-marcus-rotkopp-etika-my-fair-lady-und-ein-anderer-kerl/

 

Familienportrait – Party Like It’s Nineteen-Fortynine

marcuskluge

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IMG_20131022_0005 Bewitched bothered and bewildered

IMG_20131022_0007 Look of love

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